Maria und Josef aus Pappkarton
Drei neue Krippen für Wernigerode – warum deren zwei Schöpfer auf gebrauchte Materialien setzten
Auf weihnachtliche Pfade begibt sich, wer Wernigerodes Krippenweg entlang spaziert. Neben etlichen herkömmlichen Krippen sind dort drei neue Krippen zu besichtigen. Die Harzer Volksstimme hat ihren Schöpfern einen Besuch abgestattet.
Von Ivonne Sielaff l Harzer Volksstimme 9.12.2020
Wernigerode l Was wäre, wenn Jesus in unsere heutige Zeit geboren würde? Welche Welt würde er vorfinden? Welche Menschen würde er treffen? Mit diesen Fragen haben sich Dorit Goedecke und Stephan Klaube auseinandergesetzt. Die Grafikdesignerin und der Künstler haben drei besondere Krippen geschaffen, die den diesjährigen Krippenweg nicht nur erweitern, sondern auch bereichern.
Fast 70 Weihnachtskrippen sind im Stadtgebiet von Wernigerode zu finden – in Schaufenstern von Läden, Institutionen und in den Fenstern von vielen Wernigerödern. Die Darstellungen von Maria, Josef und dem Jesuskind sind vielfältig, jede für sich einzigartig, stammen sie doch aus verschiedenen Zeitepochen und aus unterschiedlichen Kulturen.
Die drei neuen Krippen heben sich ab und fügen sich ein - und genau das war das Ziel von Dorit Goedecke, Stephan Klaube und den Mitgliedern des Ökumenischen Arbeitskreises der Kirchen für die vierte Auflage der Aktion. „Der Krippenweg kann nur dann wachsen, wenn er für die Menschen erlebbar wird“, ist Dorit Goedecke überzeugt. „Unsere Vorstellung war es deshalb, ein Zeichen zu setzen in einer zeitgemäßen Sprache, das die Leute verstehen – alt wie jung.“
Die Grafikdesignerin ist schon von Beginn an verbunden mit dem Krippenweg – war sie es doch, die die Idee von Gemeindereferentin Regina Schmoock vor einigen Jahren aufgriff, für Wernigerode entwickelte und mit einigen Mitstreitern umsetzte. Dass sie in diesem Jahr nun mit einer eigenen Krippe vertreten ist, war anfänglich gar nicht so gedacht. „Ich habe mich auf die Suche nach Künstlern gemacht.“ Je näher aber der Termin gerückt sei, desto klarer wurde für sie, etwas Eigenes schaffen zu wollen.
„Ich hätte gern etwas aus Holz gefertigt, aber ich habe kein Holz und keine Werkstatt.“ Dafür aber viel Karton und Papier. „Das passte irgendwie. Das Material hat sich mir gefügt.“ Aus gebrauchten Versandkartons und Packpapier entstanden lebensgroß Maria, Josef, die drei Könige, einige Schafe und natürlich Jesus.

Zu besichtigen ist die Recyclingkrippe bei Fahrrad-Baron in der Ilsenburger Straße – ein idealer Platz dafür, wie Dorit Goedecke findet, schließt sie doch den Hasseröder Pilgerweg zwischen Caroline-König-Stift und Georgiikapelle. Der Kontakt zu Inhaberin Ina Meyer sei sehr „kooperativ und freundlich gewesen“. Foto: © Stephan Klaube

Besonderes Augenmerk hat Goedecke auf die Gestaltung der Maria gelegt. Sie kniet demütig, ist barfuß. „Dennoch ist sie die schönste Figur in diesem Bild“, sagt die Wernigeröderin. „Sie ist stark und sie trägt ihre Bürde. Der abwesende Josef an ihrer Seite ist das Fragezeichen meiner Krippe, das den Betrachter spiegeln soll.“ Frauen würden oft nicht gefragt, ob sie die Bürde der Alleinerziehung tragen oder ob sie freiwillig zu dem unterdrückten Geschlecht weltweit gehören wollen, sagt Goedecke. „Von der Gleichstellung, wie Jesus sie gelebt hat, sind wir im Jetzt und Hier noch ein ganzes Stück entfernt.“
Das Jesuskind – Mittelpunkt des Ensembles – ist ebenso vorwitzig dargestellt wie alle anderen Figuren. Er ist in Windeln verpackt. Die Schleife verdeutlicht ihn als ein Geschenk.

Die Krippenfiguren im Christianental fertigte Stephan Klaube aus Fichtenholz und Edelstahl.

Ausschnitt aus der PAX-Krippe

Gebrauchte Materialien
und Zimmermannstechnik
Ebenfalls in Hasserode, im Vorgarten von Dorit Goedeckes Atelier in der Friedrichstraße, steht die erste Krippe von Stephan Klaube. Auch der Maler setzte auf gebrauchte Materialien, die „in unserer Wegwerfgesellschaft ja zur Genüge vorhanden sind“. Altes Kupferblech vom Dach einer Kirche zum Beispiel, das er zugeschnitten und geschmiedet hat. „Bei der Arbeit ist mir bewusst geworden, dass ich die Zimmermannstechnik anwenden wollte“, sagt Klaube. Schließlich sei Josef Zimmermann gewesen und habe dieses Handwerk sicherlich Jesus in seinen Jugendjahren nahe gebracht. So habe er den Schrank aus dem Holz einer alten Douglasie gezimmert und dabei nur Holznägel oder handgeschmiedete Nägel verwendet. „Ich hatte dabei eine Familie vor Augen. Und bei dieser Familie ist eben nicht alles rosig – so wie auch heute nicht alles rosig ist.“ Es gebe viele Menschen, die wenig haben, die allein sind. Ihn störe es, dass gerade zu Weihnachten immer eine „heile Welt“ zelebriert werde. Es gibt sie nicht – auch nicht in seiner Krippe. Das Wort „Pax“, zu deutsch Frieden, sei an der Krippe nur mit Hilfe eines Spiegels zu lesen. Damit will er dem Betrachter den Spiegel vorhalten.
Dem Betrachter
den Spiegel vorhalten
Wie bei seiner zweiten Krippe, die vor dem Gasthaus Christianental zu sehen ist. „Die Figuren sind poliertem Edelstahl“, sagt Klaube. „Als Betrachter erblickt man sich selbst.“ Maria, das Jesuskind und Josef seien ein Spiegel der heutigen Zeit. „Jesus blickt uns an. Er fordert Frieden für alle.“ Auch Kinder könnten diese Botschaft verstehen.
Wunsch des Ökumenischen Arbeitskreises sei es gewesen, den Krippenweg in Richtung Nöschenrode zu erweitern. Das sei mit der Krippe im Christianental erreicht, sagt Dorit Goedecke. Sie habe wenig Zeit gehabt, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Glücklicherweise sei die Absprache mit der Gastwirtfamilie Lux unkompliziert gewesen.
Wichtig ist den beiden Krippenkünstlern nun, dass ihre Botschaft bei den Betrachtern ankommt. „Unsere Krippen sollen nicht nur ein Objekt für ein paar Wochen sein“, sagt Klaube. „Wir wollen Impulse und Inspiration geben.“
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